Jetzt.anders.leben. Globale Verantwortung teilen – unter diesem Motto lädt die Evangelisch-lutherische Landeskirche dieses Jahr am 11. Dezember 2019 zum Lehrkräfteforum ins Kongresszentrum Hannover ein.  Wie üblich wird es ein buntes Programm geben: Eine Einleitung durch Landesbischof Meister und als special guest Martin Junge, Generalsekretär des lutherischen Weltbundes, Bühnen zu Themen wie „Lust auf Demokratie“, „Geschlechtergerechtigkeit global“, „Kulturelle Vielfalt in der Schule“, „Fairer Handel und Konsum“ sowie „Digitalisierung in weltweiter Perspektive“. Alle Themen werden auch in Workshops aufgenommen, dazu gibt es Musik, Theater, Stände und Ausstellungen. Einzelheiten zum Programm finden sich unter www.kirche-schule.de/2019_lehrkraefteforum.

Demokratiebildung ist ein zentrales Thema in diesen Zeiten, das gilt auch und in besonderer Weise für die berufliche Bildung und damit auch für den beruflichen Religionsunterricht. Es gilt, junge Menschen in ihren politischen Teilhabemöglichkeiten zu stärken, ihr Verständnis für demokratische Prozesse zu vertiefen und es gilt auch, sie für manche Mühen zu gewinnen, die unsere demokratisch verfasste Gesellschaft dem und der Einzelnen abverlangt. Demokratie ist nicht einfach da, sie muss erarbeitet und gelebt werden. Dazu haben sich in einem gemeinsamen Text die Evangelische Kirche in Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz geäußert: „Vertrauen in die Demokratie stärken“, Gemeinsame Texte 26 (www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/gemeinsame_texte_26_demokratie_2019.pdf ). Darin heißt es: „Als Kirchen bejahen wir die Demokratie aus einer tiefen, im christlichen Glauben gegründeten Überzeugung. Das Evangelium und die Welt, in der wir leben, sind untrennbar miteinander verwoben – und zwar zuallererst durch Gott selbst, der in Jesus Christus Mensch geworden und der in diese Welt gekommen ist, um sie zum Heil zu führen. Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, beruft Menschen zur Freiheit. Die freiheitliche, rechtsstaatliche Demokratie mit ihrem unbedingten Respekt vor der Würde des Menschen und seinen unveräußerlichen Rechten bringt diesen Freiheitsimpuls des Evangeliums unter allen Staatsformen am deutlichsten zum Ausdruck.“ (S.27) Gegen alle erkennbaren Tendenzen, demokratische Prozeduren in Frage zu stellen und Menschen anderer politischer Meinung, anderen Glaubens oder anderer Kultur zu diffamieren und auszuschließen, halten die Kirchen an einem Modell „demokratischer Sittlichkeit“ fest: „Dazu gehören Fairness, Respekt gegenüber dem politischen Gegner, Mut zur Kontroverse, Gemeinsinn und Gemeinwohlorientierung. Und zu dieser Sittlichkeit gehört es auch, die eigene Perspektive nicht als unverrückbar darzustellen, sondern die grundsätzliche Pluralität der Sichtweisen anzuerkennen. Der regelgeleitete Kompromiss ist daher kein Zeichen von Schwäche, sondern die der Demokratie angemessene Weise, mit unterschiedlichen Auffassungen und Überzeugungen umzugehen.“ (S.26)

Das Neutralitätsgebot in der öffentlichen Schule zu achten, soll Schülerinnen und Schüler vor politischer wie religiöser Überwältigung bewahren. Es bedeutet aber eben nicht, dass Lehrkräfte in ihrer Bildungsverantwortung nicht sehr wohl Position für ein demokratisches Gemeinwesen beziehen dürfen und sollen. Gerade der Religionsunterricht stärkt Schülerinnen und Schüler darin, eigene Haltungen zu entwickeln, andere Haltungen zu achten und Verantwortung zu lernen.

Auch deshalb setzen sich die katholischen Bistümer und evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen weiter regelmäßig für eine bessere Versorgung im Fach Religion ein. Aus dem Kultusministerium wurde eine Steigerung der Unterrichtsversorgung im Fach Religion von 58% im Schuljahr 2015/16 auf 62% im Schuljahr 2018/19 über alle Schulformen bekannt gegeben. Das ist ein Erfolg – aber auch eine Zahl, die einen Durchschnitt festhält. Die Erfahrung zeigt, dass die Verteilung nicht nur von Schule zu Schule sehr verschieden ist, sondern auch, dass in den meisten BBSen ein deutliches Gefälle sichtbar wird vom Beruflichen Gymnasium über die Fachoberschule und die anderen Vollzeitschulformen hin zur Teilzeitberufsschule. In deren Rahmen wiederum ist die Versorgung in den „sozialen“ Berufsbereichen üblicherweise höher als in den wirtschafts- und verwaltungsbezogenen oder gewerblichen Berufsfeldern. Realität ist auch, dass die Gesamtversorgung der beruflichen Schulen mit Lehrkräften sich nur langsam verbessert und dass eine unzureichende Gesamtversorgung (2016: 88,1%, 2018: 90,7%) sich mittelbar auf den Religionsunterricht (und andere „kleine“ Fächer wie auch die allgemeinbildenden Fächer insgesamt) auswirkt, weil staatliche Religionslehrkräfte vorrangig in den beruflichen Fächern und in den allgemeinbildenden „Haupt“-Fächern eingesetzt werden. Dieses Phänomen bleibt über die Jahrzehnte insgesamt stabil, weshalb die evangelischen Kirchen der Konföderation in Niedersachsen weiter daran festhalten, Pastor*innen, Diakon*innen und andere kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über den Gestellungsvertrag in BBSen einzusetzen und so zumindest von Ort zu Ort kleine Lücken in der Unterrichtsversorgung im Fach Evangelische Religion zu schließen. Es ist besonders erfreulich, dass mit dem Schuljahr 2019/20 wieder Berufsbildende Schulen dabei sind, die bisher nicht in diesem Pool waren. Als Kirchen unterstützen wir aber auch das Bemühen des Landes, im folgenden Jahr wieder eine Weiterbildung für staatliche Lehrkräfte im Fach Religion anzubieten.  Die Einstellungszahlen aus dem Referendariat für die Fächer evangelische und katholische Religion bleiben über die Jahre auf niedrigem Niveau stabil (2018/19: 19 RE und 5 RK), seit 2013 sind 154 neue Lehrkräfte für das Fach Religion hinzugekommen.

Insgesamt erweist sich der Religionsunterricht an beruflichen Schulen trotz oder auch wegen dieser Herausforderungen als erstaunlich vital. Er genießt großen Respekt bei Schülerinnen und Schülern und wird auch in den meisten Kollegien und Schulleitungen als wichtiger Bestandteil allgemeiner Bildung und besonderer Baustein des Schulprofils geschätzt. In besonderer Weise nimmt der BRU zudem schon seit geraumer Zeit die gesellschaftlichen Herausforderungen zunehmender Pluralisierung und Säkularisierung auf, reagiert auf die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft und findet Antworten auf die beständigen Veränderungen im beruflichen Bildungswesen. Zudem steht der BRU seit langem für eine didaktisch sorgfältig ausgearbeitete Aufnahme europäischer und deutschlandweiter Qualitätsrahmen in der beruflichen Bildung und die Orientierung an Lernsituationen und Handlungskompetenzen, ohne dabei das kritische Potential theologischer Anthropologie gegenüber allen Funktionalisierungen und Verzweckungen aufzugeben. Insofern spricht Bernd Schröder im neuen Handbuch für den „Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen“ (Göttingen 2018, hg. von Biewald/Obermann/Schröder/Schwendemann) nicht ohne Grund vom beruflichen Religionsunterricht als „heimlichem Taktgeber religionspädagogischer Entwicklungen“ (S.19). Der BRU lebt von dem Engagement derer, die ihn erteilen, und die Kirchen in Niedersachsen werden die Lehrkräfte auch weiterhin in dieser Aufgabe unterstützen.

OKR Dr. Marc Wischnowsky

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